„Die wahren Taten der Freimaurer zielen dahin, um größtenteils alles, was man gemeiniglich gute Taten zu nennen pflegt, entbehrlich zu machen“ (Ernst und Falk. Gespräche für Freimaurer, 1776-78). Damit ist auf paradox-geheimnisvolle Weise ein Ideal formuliert, welches den Freimaurern von Beginn an vor Augen stand und sie so zu einer für den Prozess der Aufklärung bedeutsamen Sozietät werden ließ: durch ethisch-moralische Arbeit an sich selbst das Gemeinwohl zu fördern und gesellschaftliche Zustände zu verbessern, ohne sich mit sporadischer Alimentierung zufrieden zu geben. Das Vocal Concert Dresden unter Leitung von Peter Kopp spürt dem Freimaurerischen Geheimnis auf seinem neuen Album nach.
Die Geheime Gesellschaft
Abgesehen von bis heute gepflegten symbolischen Gründungslegenden – freimaurerische Ursprünge lägen u.a. im christlich-ritterlichen Templerorden, in den mittelalterlichen Bauhütten, ja, gingen auf biblische Zeiten zurück und wären in Ägypten erneuert worden – besteht der historische Kern wohl darin, dass in Schottland und England des 17. Jh.s Nichthandwerker Bauzünften beitraten, um in den Versammlungen der freemasons esoterisch-spiritualistische Inhalte zu erörtern. Diese „spekulative Maurerei“ wird erstmals 1717 in London aktenkundig, als sich Freimaurer von vier lodges zur Großloge von England verbinden und 1721 mit den „Alten Pflichten“ eine Konstitution geben, die noch heute als ethisches Grundgesetz der Freimaurer gilt: Toleranz jenseits von Standesgrenzen und unterschiedlichen religiösen Bekenntnisformen, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Brüderlichkeit und allgemeine Menschenliebe.
Die bewusste Diskretion masonischer Tätigkeit im gesellschaftlichen Gefüge hat den Männerbund schon sehr früh zu einem faszinierenden Mysterium für Außenstehende gemacht und zu den abwegigsten Unterstellungen bis hin zur Theorie einer „Weltverschwörung“ geführt. Ganz im Gegenteil sind die Freimaurer jedoch keine Geheimgesellschaft im buchstäblichen Sinne, da sie nie die Existenz ihrer Vereinigung der Öffentlichkeit zu verbergen suchten. Vielmehr bilden sie eine Geheime Gesellschaft innerhalb der städtischen Gemeinschaft, d.h. die Logenarbeiten werden gegenüber der Öffentlichkeit abgeschottet, um sie als für den Moment geschaffenes Ereignis im Innern des Versammlungsortes, des „Tempels“, zu bewahren. Die damit verbundenen mystisch-spirituellen Aspekte offenbaren sich seit den Anfängen der Freimaurerei nicht nur in der Verwendung zahlreicher mythisch-symbolischer Formeln und Gegenstände, sondern auch in der Entwicklung und Pflege einer spezifischen Musik. Sinnlichkeit und Vernunftdenken bilden somit gleichrangige Pole freimaurerischen Selbstverständnisses.
Freimaurerei und Musik
Die Aufnahmen dieses Albums zeichnen nicht allein die explosionsartige Entfaltung masonischer Musik im mittel- bzw. norddeutschen Raum im letzten Drittel des 18. Jh.s nach, in dem Berlin und vor allem Dresden als Zentren herausragen. Sie gewähren vielmehr einen Einblick in die stupende Vielgestaltigkeit und Lebendigkeit vokaler und instrumentaler Freimaurermusik und kontextualisiert damit das meist nur mit Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“ verbundene Wissen über die „Königliche Kunst“. Entlang des Programms des Albums und im umfangreichen Booklettext werden verschiedene Aspekte der Freimaurerei beleuchtet: von der Bedeutung verschiedener Symbole und Rituale über maßgebliche masonische Liedersammlungen, der Stadt Dresden als Zentrum der Freimaurermusik und ihrer Strahlkraft über Schweden hinaus bis zur Rolle des bekanntesten, jedoch nur vermeintlich freimaurerischen Exportschlagers, Friedrich Schillers „Ode an die Freude“. Auf Grundlage musik- und geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisse entstand die Aufnahme selbst in dem Gebäude des von den Dresdner Freimaurern mehr als 150 Jahre geförderten Schulprojekts, dem so genannten Freimaurer-Institut.
Vocal Concert Dresden und Peter Kopp
Tief im Musikleben der Sächsischen Hauptstadt verwurzelt und damit wie kaum ein zweites Ensemble für eine solche Auseinandersetzung prädestiniert nähern sich die Männerstimmen des Vocal Concert Dresden unter der Leitung von Peter Kopp diesem Thema. Das Ensemble hat sich dank seiner interpretatorischen Intelligenz und der emotionalen Strahlkraft der Konzerte in seiner Heimatstadt wie auf internationalem Parkett große Wertschätzung erarbeitet. Immer wieder werden dem aus professionellen Sängern sowie Laien bestehenden Ensemble stilistische Sicherheit und eine elegante, natürliche Musizierweise bescheinigt. Peter Kopp ist Gründer und Leiter von Vocal Concert Dresden und führte den Kammerchor zu jener künstlerisch bemerkenswerten Ausstrahlung, für die er seit langem auch international geschätzt wird. Seine intensive Beschäftigung und pointierte Verklanglichung der Kostbarkeiten sächsischer Musikgeschichte haben sowohl beim Publikum als auch bei der internationalen Musikpresse besondere Resonanz erfahren.