BE BOLD /
Spark spielt Barockmusik. Das mutet einfach an, ist aber hoch komplex. Denn wenn ein Ensemble wie Spark sich einer vergangenen Epoche nähert, dann kann dies nur mit einer frischen Perspektive, gewag-ten Neuausrichtungen und viel Experimentierfreude vonstattengehen. Nicht umsonst genießt die ECHO Klassik-prämierte Formation den Ruf, auf einzigartige Weise Alt und Neu, Tradition und Innovation, Vertrautes und Ungehörtes miteinander zu verbinden. So geht es den fünf Ausnahmemusikern auf ihrer Neuerscheinung „BE BAROQUE“ auch mitnichten darum, Barockwerke einfach nur für ihre Besetzung zurechtzulegen. Vielmehr möchten sie in ihren Arrangements neue Aspekte beleuchten, Stimmungen verstärken und ungeahnte Assoziationen wecken. Barocke Gesten werden verinnerlicht, weitergedacht und in die Tonsprache des 21. Jahrhunderts transformiert. Auf der Basis verschiedener Meisterwerke von Bach, Vivaldi, Händel und Co entwirft Spark sein ganz eigenes Barocktableau, dessen Farbspektrum von einer fast originalgetreuen Wiedergabe der Vorlage bis zur kompletten Neukomposition reicht.
BE ADVENTUROUS //
So gut wie alle Arrangements, Neuvertonungen und Kompositionen der Platte stammen von den Spark-Mitgliedern selbst, wodurch das Ensemble sein Streben nach einer ureigenen, kreativ-schöpferischen Klangsprache unterstreicht. In stilistisch unterschiedlichen Arrangements spielen die fünf Musiker ge-schickt die Stärken ihrer Formation aus. Von Stück zu Stück entfalten sie dem Zuhörer neue Stimmungs-bilder: Bach wird zum ruhig verspielten Klangidyll, Graupner zum heroisch pulsierenden Perpetuum mo-bile, Couperin verwandelt sich in frei schwebende Ambientwolken und Händel in virtuos bewegte Mini-mal Music. Ungewohnt für Spark-Kenner ist dabei, mit wie viel Ruhe die klassische Band agiert. Man nimmt sich Zeit, kostet aus, verweilt in einer Atmosphäre und lädt den Zuhörer ein, sich wirklich auf eine gesetzte Stimmung einzulassen und in dieser aufzugehen. So schwingt im Apell des Albumtitels – Be Baroque! – auch eine tieferliegende Bedeutung mit. Die Musiker möchten nicht nur selbst „barock“ sein und diesen Zustand mit der Breite ihrer künstlerischen Mittel auskosten, sondern sie fordern auch den Zuhörer auf, sich in diesen Barockzustand zu versetzen, ganz und gar in diese Klänge einzutauchen und sich auf sie einzulassen.
BE REAL ///
Trotz des künstlerischen Freiheitsdrangs wird hier nicht einfach nach Lust und Laune oder aus dem hoh-len Bauch heraus musiziert. Nichts geschieht bei Spark zum Selbstzweck oder aus purer Effekthascherei. Vielmehr stellen die vorgestellten Werke das Resultat einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Ausgangswerk, seinem jeweiligen Komponisten, aber auch der barocken Epoche an sich dar. Dabei pro-fitiert die Gruppe vom Know-How seiner Flötisten Andrea Ritter und Daniel Koschitzki, die vor der Zeit mit Spark jahrelang im renommierten Amsterdam Loeki Stardust Quartets spielten. Als Mitglieder dieses in der Alten-Musik-Szene hoch geschätzten Ensembles gehörte das historisch informierte Spiel zu ihrem Selbstverständnis. Die Gründung von Spark ist ein Spiegel ihrer Neugier und Lust auf Klänge, die mit ei-nem heutigen Lebensgefühl verknüpft sind. So ist es gerade das Vexierspiel aus authentisch dargebote-nen Barockelementen, romantischem Sturm und Drang und modernem Zeitgeist, das den Reiz dieser Platte ausmacht. In einem Moment bestaunt der Hörer die Akkuratesse, mit der eine barocke Verzie-rung dargeboten wird, um kurz darauf die Nonchalance zu erleben, mit der barocke Muster bewusst aufgebrochen und ins Hier und Jetzt katapultiert werden.
BE ORIGINAL ////
Die Musik von Johann Sebastian Bach macht eine wesentliche Inspirationsquelle auf dem Album aus. Spark stellt seine eigene Version der berühmten Arie „Schafe können sicher weiden“ vor, widmet sich Auszügen aus der Orchestersuite in h-Moll in einer originellen Bearbeitung von Gustav Mahler und prä-sentiert mit der Komposition „Neo Largo“ des Spark-Pianisten Christian Fritz eine reizvolle Paraphrase auf den bekannten Mittelsatz aus Bachs f-Moll-Konzert für Cembalo, Streicher und Basso continuo. Victor Plumettaz, der Cellist der Gruppe, wählt die d-Moll-Sarabande von Georg Friedrich Händel und ein Präludium von Christoph Graupner als Ausgangspunkt für zwei neue Werke. Die harmonischen Ver-läufe der Vorlagen weitet er mit neuen Melodien und Begleitfiguren zu eigenständigen, minimalistisch geprägten Stücken aus – mal ruhig fließend, mal wild pulsierend und vor allem maßgeschneidert auf den Sparkschen Klangkörper. Ähnlich geht auch der Spark-Flötist Daniel Koschitzki vor. Auf dem Harmonie-schema eines Rondeaus von Jacques Duphly hat er für Spark eine schwelgerische Ballade konzipiert. Seine Flötenkollegin Andrea Ritter stellt in drei Kompositionen unterschiedliche Grade der Bearbeitung vor. In einem Arrangement des Mittelsatzes von Antonio Vivaldis Konzert „Il gardellino“ belässt sie die Melodie der Soloflöte wie im Original, beleuchtet sie jedoch durch neue Begleitfiguren und raffinierte polyrhythmische Schichtungen aus einem neuen Blickwinkel. Deutlich freier geht sie mit Georg Friedrich Händels „Ankunft der Königin von Saba“ und François Couperins „Les Barricades Mystérieuses“ um, die sie durch selbst erdachtes Material ergänzt und zu eigenständigen, vielfarbigen Werken ausformt – ersteres im Geist der amerikanischen Minimal Music, letzteres im Flair eines Ambientstücks. Eine ganz andere Nuance lässt Spark noch in der folkloristisch anmutenden Weise „Mrs. Keel“ des irischen Ba-rockkomponisten Turlough O’Carolan anklingen. Die Interpretation des Stücks, das die Gruppe erstmals bei einem Privatkonzert für den Bundespräsidenten darbot, legt sie bewusst im Spannungsfeld zwischen Irish Folk, reduzierter Romantik und barocker Ornamentik an.
BE QUESTIONING /////
Barocke Originale, Arrangements, Neuvertonungen und Eigenkompositionen fügen sich auf dem mitt-lerweile sechsten Album der klassischen Band zu einem frischen Sittengemälde einer vergangenen Epo-che. Jeder Track der Platte beleuchtet mit den individuellen Mitteln des jeweiligen Arrangeurs oder Komponisten einen anderen Aspekt barocker Kultur – sei es die überbordende Lebendigkeit barocker Tänze, die Kraft der Symmetrie, die betörende Schönheit barocker Kantilenen, das Verwirrspiel der ge-bräuchlichen Fortspinnungsmechanismen oder die Sogwirkung gebrochener Dreiklänge, derer sich Vi-valdi, Bach und Co bedienten – lange bevor sie als Arpeggiatoren im Electro, im Pop oder der Minimal Music wieder en vogue wurden. Spark empfiehlt sich mit diesem Projekt einmal mehr als eines der inno-vativsten Ensembles seiner Generation – als aufregendes Kollektiv von Vor- und Querdenkern. Konse-quent verfolgt die Gruppe ihre Vision eines durch und durch eigenständigen Profils, das stets auf die klassischen Wurzeln der Musiker verweist, aber grundsätzlich nach vorne gerichtet ist. Die Interpretati-onen von Spark wirken reifer. Das Ensemble ist mehr denn je bei sich angekommen und hat es dennoch nicht verlernt, Grenzen auszuloten, zu suchen und sich beständig zu hinterfragen – mit Mut und Aben-teuerlust, durch und durch authentisch und experimentierfreudig und mit unstillbarer Neugier!