Immer schon wurde versucht zu beschreiben, was das Phänomen Christoph Eschenbach ausmacht. Ein schwer zu fassendes Gefühl, das seine Konzerte zuverlässig auszulösen scheinen und das durch die lange Liste seiner äußeren Stationen und Erfolge allenfalls ansatzweise erklärt wird: weltweit aktiv als Dirigent und Pianist, berühmt für die Breite seines Repertoires und die Tiefe seiner Interpretationen, unermüdlich als Förderer junger musikalischer Talente, Träger höchster musikalischer Ehren. Das geradezu mit Händen zu greifende Charisma des Künstlers Christoph Eschenbach speist sich aus biographischen und intellektuellen Quellen ebenso wie aus erlebter Geschichte. Eine rare Kombination aus persönlichem Schicksal, musikalischem Bildungsweg und der Zugehörigkeit zu einer Generation, die die Tiefen und später auch die Höhen des 20. Jahrhunderts durchlitten und durchlebt hat. Es wäre dennoch grundfalsch, in Christoph Eschenbach nur den Lordsiegelbewahrer des kulturellen Erbes zu sehen. Dafür ist seine künstlerische Neugier allzu wach, seine unverminderte Lust, weltweit auf der Bühne zu stehen und mit möglichst unterschiedlichen Orchestern zu arbeiten. Seine größte Passion bezieht sich ohnehin längst nicht mehr auf die eigene Karriere. Er möchte die Fackel weitergeben an die nächste Generation, als Mentor, der sich selbst inspirieren und mitreißen lässt von der Energie und Motivation der Jungen, die er als „hundertprozentige Künstler“ beschreibt.
Zu seinen Entdeckungen zählen der Pianist Lang Lang, die Violinistin Julia Fischer oder die Cellisten Leonard Elschenbroich und Daniel Müller-Schott. Für die künftige Weltklasse engagiert er sich zudem als Künstlerischer Beirat und Dozent der Kronberg Academy, der legendären Eliteschmiede für junge Geiger, Cellisten und Bratschisten. Mit seinen 80 Jah ren wird Christoph Eschenbach selbst nicht müde, zu neuen Ufern aufzubrechen – seit September 2019 ist er Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berlin. Christoph Eschenbach. Die Stationen im Überblick Christoph Eschenbach (*20. Februar 1940 in Breslau) wuchs als Kriegswaise bei der Cousine seiner Mutter, der Pianistin Wallydore Eschenbach, in Schleswig-Holstein und Aachen auf. Der Unterricht bei ihr legte den Grundstein für einen glänzenden musikalischen Werdegang. Nach dem Studium bei Eliza Hansen (Klavier) und Wilhelm Brückner- Rüggeberg (Dirigieren) ebneten ihm erste Preise als Pianist beim ARD-Wettbewerb 1962 und dem Concours Clara Haskil 1965 auch international den Weg. Gefördert von Mentoren wie George Szell und Herbert von Karajan, verlagerte Eschenbach seinen Fokus zunehmend auf das Dirigieren: Er war Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Züricher Tonhalle-Orchesters von 1982 bis 1986, Musikalischer Direktor der Houston Symphony von 1988 bis 1999, Künstlerischer Leiter des Schleswig-Holstein Musik Festivals von 1999 bis 2002 sowie Musikalischer Direktor des NDR Sinfonieorchesters von 1998 bis 2004, des Philadelphia Orchestra von 2003 bis 2008 und des Orchestre de Paris von 2000 bis 2010. Von 2010 bis 2017 leitete Eschenbach das Washington National Symphony Orchestra. Als Gegengewicht zu seinen vielen festen Verpflichtungen setzt Eschenbach bewusst auf eine extensive Gastdirigenten-Tätigkeit, unter anderem bei den Wiener und Berliner Philharmonikern, dem Chicago Symphony Orchestra, der Staatskapelle Dresden, der Scala sowie dem NHK Symphony Orchestra, Tokyo.
Die beeindruckende Diskografie von Christoph Eschenbach, sowohl als Dirigent wie als Pianist, entstand im Lauf von fünf Jahrzehnten und reicht von J.S. Bach bis zu zeitgenössischer Musik. Zahlreiche Einspielungen haben mittlerweile Referenzstatus und wurden mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet, darunter der Preis der Deutschen Schallplattenkritik oder der Grammy Award. Eine besonders fruchtbare kammermusikalische Partnerschaft verbindet Eschenbach mit dem Bariton Matthias Goerne. Live und mittlerweile auch auf CD durchmessen die beiden kongenial den Liederschatz der deutschen Romantik von Schubert bis Brahms. Christoph Eschenbach ist Ritter der Légion d’honneur, Commandeur des Arts et des Lettres und Gewinner des Leonard Bernstein Preises. 2015 wurde er als Pianist und Dirigent mit dem Ernst- von-Siemens-Musikpreis, dem „Nobelpreis für Musik“, ausgezeichnet.
Photo: Marco Borggreve
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